Lars Klingbeil sprach über Verantwortung, Zusammenhalt und Europa

Über 170 Gäste konnte der Moderator des diesjährigen Neujahrsempfangs der Achimer SPD, Reiner Aucamp, im KASCH in Achim begrüßen. Als besonderer Gast nahm Lars Klingbeil als Generalsekretär der SPD an der Veranstaltung teil. Musikalisch umrahmt wurde das Programm stimmgewaltig vom „Shantychor Bremen Mahndorf“
Seine erste Rede vor diesem Publikum hielt Achims neuer Ortvereinsvorsitzender Wilfried Hirschmann. Er freute sich darüber, dass neben den Vertretern aus der Politik auch viele Vertreter von Vereinen und Verbänden der Einladung gefolgt waren. In puncto Achim plädierte er dafür, die bislang getroffenen Entscheidungen im Bereich des Lieken-Gländes auch von bisherigen Gegnern zu respektieren und gemeinsam die weitere Planung voranzutreiben.
Ein Hauptfeld der lokalen Politik Achims sei die bedarfsgerechte Bereitstellung von KiTa Plätzen. Als weiteren Schwerpunkt nannte er die weitere Entwicklung im Bereich Achim-West sowie die Ansiedlung des Online-Händlers AMAZON in Achim.
Für den Landkreis Verden unterstrich der stv. Landrat Helmut Prossner die Aktivitäten in Achim. Dabei stellte er die Erweiterung des Marktgymnasiums, den Neubau der Rettungswache in Achim sowie die stetige Unterstützung des Standortes Achim der Aller-Weser-Klinik heraus. In einem humorvollen Rückblick in plattdeutscher Sprache erinnerte er daran, dass in diesem Dialekt Sozialdemokraten wegen ihres resoluten Auftretens in früheren Zeiten auch schon mal als „Schandaldemokraten“ betitelt wurden.
Die Landtagsabgeordnete Dörte Liebetruth konnte in ihrer Ansprache auf die Erfolge in der SPD geführten Landesregierung hinweisen. Sie verwies auf die seit August 2018 geltende Gebührenfreiheit für den Besuch der KiTas durch das Land. Die Verzahnung zur Bundespolitik kann durch das „Gute-KiTa Gesetz“ auch dazu beitragen, die Kommunen bei der Finanzierung der Kindertagestätten nachhaltig zu unterstützen. Auch „kleine Dinge sind wichtig“, mit Dörtes Unterstützung kann nunmehr am Achimer Amtsgericht endlich mit der Einrichtung eines Fahrstuhls gerechnet werden.
Eine große Erwartung hatten die Gäste an die Worte von Lars Klingbeil. Der Vierzigjährige ist seit Oktober 2018 Generalsekretär der Bundes-SPD und vertritt seinen Heimatwahlkreis Soltau im Bundestag.
In freier Rede nannte er vier Schwerpunkte, die für die Arbeit der SPD unverzichtbare Markenkennzeichen sein müssen: Verantwortung, Stabilität, Zusammenhalt und Zukunft.
Es sei eine schwierige Phase gewesen, aber er sei hochmotiviert angetreten, als Martin Schulz ihn gefragt habe, ob er dieses Amt übernehmen würde. Es gehöre sich, Verantwortung zu übernehmen, wenn man sich einer Wahl zum Bundestag stellt. Und das bedeutet auch Regierungsverantwortung und nicht davor wegzulaufen, wie es die FDP kurz vor dem Abschluss einer Koalitionsvereinbarung getan habe. In der alltäglichen Politik könne man nicht an jedem Tag die Koalition in Frage stellen und zudem haben sich die Mitglieder der SPD mehrheitlich für diese Koalition ausgesprochen.
Im Vergleich zu den Geschehen in der USA, aber auch anderen Teilen der Welt, sprach er über seine Wertschätzung zu den stabilen Verhältnissen in Deutschland. Darauf und dass das mit großer Beteiligung der SPD auf allen politischen Ebenen verbunden sei, kann man in der Partei auch sehr stolz sein. „Es geht uns besser, als es Frau Wagenknecht und Herr Gauland gegenüber jedwedem Medium behaupten“ sagte er unter dem Beifall der Gäste. Es gehe nicht darum, sich selbst darzustellen oder am lautesten oder die schrillsten Forderungen zu stellen. Es gehe darum für die Bürger stabile Rahmenbedingungen zu schaffen.
In seiner Wahrnehmung erlebt die Gesellschaft eine zunehmende Polarisierung. Klingbeil vermisst zunehmend den gegenseitigen Respekt und sieht Tabubrüche im internationalen Format aber auch durch extreme Parteien in Deutschland. Die gesellschaftlichen Änderungen würden nach Klingbeils Ansicht einige Menschen überfordern, sie „fühlen sich abgehängt“. Diese Teile der Gesellschaft seien empfänglich für vermeintlich einfache Antworten auf komplexe Fragestellungen. Anderen Teile der Bevölkerung wiederum gingen die Veränderungsprozesse, vor allem im technischen Fortschritt, noch nicht schnell genug.
Zwischen diesen Gruppen müsse die SPD vermitteln und Brücken bauen, so der Generalsekretär. Dazu gehöre es, in den Beratungen Kompromisse zu schließen, so wie er es auch bereits in der Kommunalpolitik kennengelernt habe. Und es könne nicht sein, dass diejenigen, die sich für die Gesellschaft einsetzen und diese zusammenhalten, auch noch dafür verspottet oder beschimpft werden. Die anwesenden Vertreter der Feuerwehren, der Vereine und Verbände nahmen das dankbar zur Kenntnis.
Die SPD muss stolz sein, auf das was mit ihrer Hilfe und unter ihrer Führung vor allem im Bereich der Sozialpolitik für die Menschen im Land erreicht wurde. Das gelte für die Rentenpolitik und das „gute-KiTa-Gesetz“, um aktuelle Beschlüsse zu nennen. Aus Klingbeils Sicht ist es für die Gesellschaft unerlässlich, sowohl die politische Debatte auf eine Kindergrundsicherung wie auch auf eine Grundrente für ein Leben in Würde im Alter zu lenken. Auf Drängen der SPD sollen in den kommenden Jahren die Mehreinnahmen durch Steuern für Investitionen genutzt werden. Es sei das Ziel der SPD, am Ende der Legislaturperiode den „Soli“ für 90 % der Steuerzahler nach sozialen Gesichtspunkten abzuschaffen.
Für die Zukunft verwies der IT-Experte der SPD auf die weltweite Entwicklung der künstlichen Intelligenz, da dürfe Deutschland als Industriestandort nicht den Anschluss verlieren. Zugleich hob er die Wichtigkeit der digitalen Infrastruktur hervor, das gelte auch uneingeschränkt für den ländlichen Raum.
„Was muss unser Sozialstaat künftig leisten“ laute die Überschrift bei Frage, in der parteiintern derzeit über die Zukunft der Hartz IV-Gesetze beraten werde. Auch das Erreichen der Klimaziele sei eine Fragestellung, an der sich die Politik messen lassen muss. Hier läge bei der SPD die besondere Verantwortung. Der Wegfall von Arbeitsplätzen an den Standorten, wo in Zukunft die Kohleförderung zurückgehen werde, müsse durch neue Arbeitsangebote vor Ort kompensiert werden.
Zum Schluss seiner rund dreißig-minütigen Rede warb er parteiübergreifend für die aktive Wahlteilnahme an den Wahlen zum Europäischen Parlament am 26.Mai 2019. „Man muss wählen gehen und nicht auf dem Sofa sitzen bleiben, sonst überlassen wir Europa den Populisten, die dieses Europa zerstören wollen“ rief er unter Beifall den Besuchern des Achimer Neujahrsempfangs zu.